„Wer einen von diesen Kleinen aufnimmt, der nimmt mich auf!”
Im südlichen Transsylvanien hatte das kommunistische Regime mit einem riesigen materiellen Aufwand eine schon damals veraltete Industrie aufgebaut. Aus dem Jil Tal bezog man die Kohle, aus dem westlichen Erzgebirge die Erze, und in Hunadoara, in Călan (ung. Pusztakalan), ging die Eisenhütte in Betrieb. Aus allen Teilen des Landes wurden junge, billige Arbeitskräfte, die meistens ohne Ausbildung waren, angeworben. Es waren mehrere hunderttausend Menschen, denen in der Folge einfache, kleine Dienstwohnungen zugewiesen wurden. Viele von ihnen gründeten schöne, große Familien. Mit dem unvermeidbaren Sturz des Diktators Ceausescu endeten auch dessen größenwahnsinnige Projekte. Von einem Tag auf den anderen wurden diese entwurzelten Menschen arbeitslos, und viele Familien zerbrachen an der materiellen Not. Und was das Traurigste ist: Die unschuldigen Kinder verloren ihr Zuhause und wurden Straßenkinder.
Inzwischen lebte nach 50 Jahren Verbot der Franziskanerorden wieder auf, und wir hielten es für den Willen Gottes, uns der Sorgen und Probleme unseres Volkes und unserer Heimat anzunehmen. Im Jahre 1992 kam ich als katholischer Priester und Franziskaner der ungarischen Diaspora von Dej (ung. Dézs) nach Déva, und im Frühling 1993 riefen wir die Stiftung des Heiligen Franziskus ins Leben. Sie bietet den geeigneten Rahmen, um die Hilfsbereitschaft und Tatkraft vieler großherziger Menschen aus dem In- und Ausland zu bündeln und die Sorgen und Probleme unserer Heimat zu lösen.
Nach einem ersten Sommerlager im Jahr 1993 verspürten die Organisatoren den Wunsch, ein Ganzjahreslager für die Kinder zu veranstalten. Wir begannen, das Kloster zu renovieren, und ließen die Kinder in die staatliche Schule neben dem Kloster einschreiben.
1993 kam vor der Abendmesse eine vertrauenerweckende, ältere Frau mit einem kleinen Mädchen, das sie auf dem Bahnhof gefunden hatte. Ich habe ihr zu ihrem Glück gratuliert und sagte ihr, sie könne das Kind zu sich nach Hause bringen. Sie wollte es aber in der Pfarrei lassen, aber ich traute mich nicht, das Kind ohne Papiere aufzunehmen. Ich versprach, den Heiligen Geist zu bitten, uns einen Weg zu zeigen. Ich las das Evangelium und war erstaunt über Jesu Worte: „Wer einen von diesen Kleinen aufnimmt, der nimmt mich auf!” Ich verstand, dass man nicht davon reden soll, zu lieben und aufzunehmen, sondern dass man handeln soll. Ich beschloss, wenn ich am Ende der heiligen Messe erneut darum gebeten würde, das Kind aufzunehmen, dann würde ich es aufnehmen, obwohl wir weder die Eltern und Verwandten noch den Wohnort kannten und ohne Papiere dastanden. Am Ende der heiligen Messe kam das kleine Mädchen lachend in die Sakristei, und ich umarmte diesen verkleideten Heiland und nahm ihn auf. Vera, die Köchin, sagte, das Kind würde schlecht riechen. Da sagte ich, in diesem Fall wäre es das Beste, nicht daran herumzuriechen, sondern es zu baden! Ich fand Kleidung für sie, während sie gebadet und gekämmt wurde. Ich wunderte mich selbst, wie sehr sich die kleine Bettlerin in einer Stunde verändert hatte: Sie wurde zu einer richtigen kleinen Prinzessin. Sie war das erste Kind, das wir direkt von der Straße holten.
„Warum kaufen Sie keine neuen Häuser?”
Als die Familien und Pfarrer sahen, dass wir in Gottes Namen Kinder aufnahmen, da begannen sie sehr bald, von überall her liebe, nette Kinder zu uns zu bringen. So wurde das Kloster von Déva schnell zu klein. In dieser Zeit besuchte mich ein freundlicher Herr aus Holland auf der Durchreise. Als ich ihn nach dem Mittagessen hinausbegleitete, wartete eine Mutter mit drei Kindern vor dem Kloster. Sie bat mich, ihre Kinder aufzunehmen. Ich sagte ihr, dass leider alle Zimmer und Betten belegt wären. Da fragte mich diese mir völlig unbekannte Frau, warum ich keine neuen Häuser kaufte. Lächelnd antwortete ich, dass ich kein Geld hätte. Sie fragte, was eine Wohnung kostete. So um die 10-15.000 DM, sagte ich. Da ging der Holländer wortlos weg. Nach zwei Wochen erhielt ich von ihm 30 Tausend DM, was damals sehr viel Geld war und ausreichte, zwei Häuser zu kaufen, eines für die Jungen und eines für die Mädchen. So begannen wir zu wachsen.
1999 erhielten wir vom Franziskanerorden das verlassene Kloster von Orăştie (ung. Szászváros), und 2003 sammelte die Ungarische Bischofskonferenz für die Waisenkinder von Siebenbürgen. Die ungarischen Studenten wurden ermutigt, ihr Brot mit den Hungernden zu teilen. Die Sammlung war ein Erfolg: 14 Millionen Forint. Wir kauften das Grundstück für das Josephsheim in Sovata (ung. Szováta), wo heute 130 Kinder ein fröhliches Leben führen und Gott loben. So begann der Aufbau der Kinderschutzorganisation der Stiftung Heiliger Franziskus.
Sehr bald merkten wir, dass es trotz der Unfähigkeit vieler Eltern möglich ist, die Kinder zu Hause zu lassen. Der Zahnarzt bemüht sich ja auch, einen hohlen Zahn zu plombieren, statt ihn zu ziehen. Wir entschieden uns dafür, die teure und oft schmerzliche Lösung, wenn möglich, zu vermeiden, und die Kindertagesstätte zu bevorzugen. Diese ist keine verlängerte Schule, sondern will die Aufgaben einer gefährdeten Familie ergänzen und zum Teil übernehmen. Die Kinder erhalten nicht nur Kleidung, Lehrmaterial, Nahrung, sondern sie sollen auch all das erlernen, wodurch ein Mensch zum Menschen wird. Die Ausbildung ist ein Baum mit vielen Ästen: das Lernen, die Hygiene, das Zusammenleben mit den anderen, die körperliche Arbeit, das Gärtnern, das Blumenpflanzen, die Unterhaltung, die Freizeit usw.
Wir ermutigten die Kinder zum Lernen, und sie begannen, sich gewissenhaft und gehorsam zu entwickeln und zu lernen: So schlossen auch solche Jugendliche die Mittelschule ab, die ohne uns keine fünf Klassen geschafft hätten. Sie wollten natürlich weiterlernen. Deshalb gründeten wir in Simuleu Ciuc (ung. Csíksomlyó) und Gheorgheni (ung. Gyergyószentmiklós) ein Kollegium für die höheren Klassen, und in Cluj Napoca (ung. Kolozsvár) und Târgu Mures (ung. Marosvásárhely) haben wir aus demselben Grund ein Wohnheim für Studenten errichtet.
Zusammen mit den Franziskanischen Schwestern für Krankenpflege haben wir in Arcuş (ung. Árkos) für werdende Mütter, die in Gefahr sind und deshalb ein Heim suchen, ein Haus gegründet.
Die Stiftung Heiliger Franziskus hat in den vergangenen Jahren freundschaftliche Kontakte zu den Kinderschutzorganisationen in der Vojvodina, in den ukrainischen Karpaten sowie in Ungarn selbst aufgenommen. Wir beten für die Waisenhäuser des Pater Ferenc in der Vojvodina und helfen ihm mit Rat und Brot.
In den ukrainischen Karpaten ist es Pater Antal Püspök, der dieselben Ziele des Kinderschutzes verfolgt und dem wir helfen, so gut wir können.
In Ungarn selbst ist die Stiftung seit 2002 aktiv. In Csobánka mit dem „Haus des Lebens”, Waisenhaus und Kindertagesstätte für Kinder in Not. In Polgárdi und Székesfehérvár haben wir mit Hilfe unserer Erfahrungen in Siebenbürgen Schulhäuser und Horte eröffnet, wo die Kinder nachmittags unter Aufsicht lernen und essen können, und nicht nur Kleidung, sondern auch liebevolle Zuwendung bekommen.
Neue Heime für neue Kinder
All unsere Häuser und Zimmer sind ununterbrochen mit Kindern belegt. Leider werden immer wieder erschrockene und vernachlässigte Kinder von ihren Verwandten oder Sozialarbeitern der staatlichen Kinderschutzbehörden zu uns gebracht. Gott sei Dank helfen uns die Kirche und großherzige Menschen mit Immobilien und Geld, so dass wir neue Heime für neue Kinder gründen können. In Nagyvárad gaben uns die Ursulinen ein schönes Familienhaus, wo wir das Wohnheim der Heiligen Angela einrichten. In Târgu Mures hinterließ uns eine sehr freundliche Ärztin ein Haus mit Garten und ihre anderen Habe. In Săcueni (ung. Székelyhíd) beschloß der Stadtrat, uns das verlassene Schloß, das früher als Schule genutzt wurde, zu überlassen. In Sansimion (ung. Csíkszentsimon) schenkte uns ein Unternehmer 7 Hektar Grund mit mehreren Gebäuden, wo wir ein Kollegium für Schüler der landwirtschaftlichen und gastronomischen Fachschule einrichten möchten. In Miercurea Ciuc überließ uns eine Stiftung ein vierstöckiges Haus, wo wir das Heim der Heiligen Monika ins Leben rufen wollen, um einen alten Traum zu verwirklichen: die Kinder zusammen mit ihren Eltern aufzunehmen und zu retten. Wie die Mehrheit der Passagiere der Titanic wegen der fehlenden Rettungsboote sterben musste, so war es bislang unser Ziel, in erster Linie die Kinder zu retten. Im Heim der Heiligen Monika möchten wir ganze Familien zeitweise aufnehmen und heilen, damit sie ihre Kinder aus eigener Kraft pflegen und erziehen können.
Pater Csaba