Unsere Standespflichten
Nicht weit vom Stall von Bethlehem liegt eine Höhle, in der sich nach der Tradition die vor Herodes flüchtende Heilige Familie verbarg, damit Maria in Ruhe ihr Kind stillen konnte. Ereignisse der Weltgeschichte, große Momente unserer Erlösung, der gerade erst geborene Gottmensch auf der Flucht, und Maria bittet um etwas Zeit, weil das Jesulein essen muss. Maria kennt ihre Aufgabe und erfüllt sie in Bethlehem genauso gewissenhaft wie 33 später in Jerusalem. Sie steht unter dem Kreuz! Als dann ihr Sohn vom Kreuz genommen wird, geht sie wieder ihrer Pflicht nach und organisiert mit blutendem Herzen das Begräbnis ihres Kindes, beobachtet die Gesetze und Gebräuche, geht früh am Sonntag zum Grab, so wie es ihr gerade möglich ist: in Gesellschaft einer reuigen Dirne! Sie gehen wegen der Begräbniszeremonien, wegen der Dinge, die getan werden müssen, wie es die Pietät fordert!
Ich werde nie vergessen, wie meine schwerkranke Mutter das Loch in meinem Mantel bemerkte. Sie bat um Nadel und Zwirn, setzte sich im Bett auf und trennte das Futter heraus, nähte den Mantel von innen und setzte schließlich das Futter wieder ein, wie es sich gehört! Mein Mantel war schöner als neu! Am 14. Dezember, es war Montag früh, hörten ihre Nieren und ihre Leber auf zu funktionieren! Sie litt sehr und sah auch selber, dass über den Katheder nichts mehr ihren Körper verließ! Wir beteten unaufhörlich den Rosenkranz. Abends sagte sie, es sei Zeit zum Essen! Ich fragte sie, was sie wünschte. Sie wünschte sich gefülltes Kraut. (Kurz vorher hatte eine nette Dame vier Portionen gebracht). Meine Mutter sagte kaum hörbar zu meiner Schwester Katika, sie solle alles aufwärmen! Dann setzte sie sich im Bett auf und wir aßen so, wie wir es seit acht Jahren jeden Tag getan hatten: Wir legten meiner Mutter das Essen in den Schoß und setzten uns links und rechts von ihr! Die Arme versuchte vier-, fünfmal, das Essen mit der Gabel an den Mund zu führen, aber ihre Hand fiel jedes mal zurück! Uns war klar, dass sie nicht einmal mehr Wasser zu sich nehmen konnte, aber weil es Zeit zum Abendessen war, tat sie alles, was eine Mutter für ihre Kinder tun muss, damit sie nicht hungrig bleiben! Nie schmeckte mir das Kraut so bitter wie damals, aber wir machten Scherze und lobten das Essen und aßen alles auf! Es war ergreifend, wie meine Mutter mit einer unglaublichen Willenskraft ihren Todeskampf hinausschob, nur weil es Zeit zum Abendessen war und ihre Kinder essen mussten!
Ich bewundere die Gottesmutter, die nicht nur wusste, was sie tun musste, sondern es auch tat, wie es der himmlische Vater von der Mutter erwartet! Der Lärm und und die Sorgen der Welt dürfen unsere täglichen Aufgaben nie in Vergessenheit geraten lassen! Gott hat uns alle mit Aufgaben in diese Welt gesetzt! Der eine muss lernen zu multiplizieren, der andere muss sich auf das Abitur vorbereiten; manche erziehen ihre Kinder oder bearbeiten das Feld oder fahren ein Auto! Es ist gleich, was deine Aufgabe ist. Wichtig ist nur, dass du deine Standespflichten dort, wohin dich Gott gestellt hat, erfüllst. Dass du das, was du gerade tun musst, gewissenhaft und gründlich erledigst! Was auch geschieht, wir müssen alle wissen, was die Liebe von uns fordert und was wir jetzt und hier tun müssen. Und dann müssen wir es mit so viel Aufmerksamkeit, Ausdauer, Fleiß, wie wir nur können, zu Ende führen! Das ist der Weg des Heils! Es nützt nichts, wenn wir die Aufgabe der anderen ausgezeichnet erfüllen. Wichtig ist, dass wir unsere eigenen Aufgaben möglichst gut erledigen! Schauen wir nicht darauf, was die anderen tun, kümmern wir uns nicht darum, ob man uns dankt, und fragen wir nicht danach, was in der großen Welt geschieht! Gott prüft uns nur in einer Sache: in unserer eigenen, persönlichen Aufgabe! Du und ich und jeder von uns hat von Gott eine heilige, kostbare Aufgabe zugeteilt bekommen, die wir unbedingt erfüllen müssen, was auch immer in uns und um uns herum geschieht!
In den ersten Tagen des Jahres sollten wir still werden und unsere Aufgaben überblicken, unsere Träume umreißen, unsere Pläne schmieden und uns detailliert vorlegen, um sie hernach mit Ausdauer und Willenskraft zu einem guten Ende zu führen! Schauen wir nicht darauf, wozu wir gerade Lust haben, sondern auf unsere Talente, und überlegen wir, was und wo Gott durch uns etwas in die Welt bringen will. Wie sollen unserer Früchte beschaffen sein?! Beginnen wir mit der uns anvertrauten Arbeit! Es ist nicht wichtig, wie bedeutend die Arbeit aussieht. Wichtig ist nur, ob wir sie beharrlich und ehrlich ausführen oder aber aus Faulheit und Berechnung die Flinte ins Korn werfen. Ja, liebe Schwester, lieber Bruder, auch du hast deine ganz persönliche Aufgabe, die du mit ehrlicher Arbeit und beharrlicher Anstrengung hier auf Erden tun musst! Was auch immer geredet wird: Das Heil wirst du nur erreichen, wenn du deine Arbeit gründlich und schön ausführst! Die bewusste Annahme und Erfüllung unserer täglichen Standespflichten ist der einzige Weg zum Heil!
Ich bete dafür, dass Sie an jedem Tag des neuen Jahres Ihre Standespflichten ehrlich erfüllen mögen.
Pater Csaba OFM