ICH NEHME DICH AN …. ICH NEHME DICH AUF
„Gott will,dass die Menschheit eine grosse Familie sei, und dass wir gute Brüder seien!” II. Vatikanisches Konzil
Wohin wir auch blicken: Zorn und reißen Hass unsere Gesellschaft in tausend Stücke. Scheinbare oder wirkliche Interessen prallen unbarmherzig aufeinander. Menschen wenden sich voneinander ab, sie streiten, bilden Parteiungen, führen Krieg. Deshalb zerfallen unsere Familien, unsere Gemeinschaften zerbröseln, und unser Volk zerstreut sich in alle Welt. Erschüttert lese ich, dass jeder dritte ungarische Haushalt des Karpathenbeckens von einem alleinstehenden Menschen bewohnt wird.
Das Leben unseres Herrn Jesus Christus zeigt, dass Er nicht zerstreut, sondern sammelt. Im Augenblick Seiner Geburt rufen Engeln die Hirten, Sterne sprechen zu den drei Weisen, denn Jesus erbaut Gemeinden und nimmt jeden liebevoll auf! Am Tag Seiner Taufe, also beim Beginn Seiner öffentlichen Tätigkeit, sammelt Er bereits Jünger um sich, erwählt unter ihnen Apostel und tut nichts allein. Er nimmt Seine Freunde mit zur Hochzeit von Kana, und sie sind mit ihm, wenn Er lehrt und heilt. Er verkündet, dass er jeden an sich ziehen will.
Aus der Geschichte sehen wir, wie leicht der Mensch des Menschen Wolf werden kann. Ja, aus Angst und Hass enstehen Feindschaften, werden Gemeinschaften geteilt, und dieser Weg führt ins dunkle Chaos, in die Vernichtung. Wer Recht hat? Wenn zwei Autos zusammenstoßen, werden beide beschädigt. Was nützt es im Krankenhaus, dass Du Recht hattest? Die bedeutenden Persönlichkeiten der Geschichte befolgten die Wege Jesu, der aufnimmt und integriert. Denken wir nur an unseren heiligen König László. Als er den Thron bestieg, war das Land in sich zerstritten. Und doch gelang es ihm, die feindlichen Kräfte an einem Tisch zu vereinen. Damals bekämpften sich nicht nur Familien- und Gemeinschaftsinteressen, sondern auch Christentum und Heidentum. Wie viel Blut und Schmerz: Der Tod des heiligen Gerhard, Anarchie, Krieg und viele Wunden. Aber der heilige König vereint alle Kräfte um sich und baut mit ihnen das starke Ungarn des Mittelalters auf. Er vermochte sogar die besiegten Feinde zu integrieren. Nach seinem Sieg über die Kumanen begann die Metzelei, und er flehte seine Soldaten weinend an, den besiegten Feind zu verschonen: Wir rufen Priester, damit unsere besiegten Feinde lernen, dass wir alle Kinder Gottes sind. Dann werden sie mit uns zusammen dieses Land aufbauen und es auch verteidigen.
Vor 24 Jahren betrat auch ich bewußt den Weg Jesu Christi, den Weg des Aufnehmens, des liebevollen Umarmens. In den vergangenen Jahren habe ich zusammen mit meinen lieben Mitarbeitern in 82 Heimen nahezu 6000 Kinder aufgenommen. Unsere Losung: Die Stiftung Heiliger Franziskus möchte ein großer Baum sein, auf deren Ästen die Vögel des Himmels Platz finden sollen: Alle Kinder und Jugendlichen, die müde und einsam leben und nicht wissen, wo sie schlafen sollen. Die Vögel des Himmels dürfen sich trauen, sich auf den Ästen dieses Baums auszuruhen. Wenn sie wollen, dürfen sie sich hier ein Nest bauen, oder aber weiterfliegen, denn ein Käfig wollen wir nicht sein. Ich durfte erfahren, wie unglaublich reich und schön unser Alltag dadurch geworden ist, dass wir Jesus nachahmen. Das Leben ist unendlich farbig und leuchtend, und jedes Kind und jeder Lebensweg ist anders. In diesen 24 Jahren habe ich erfahren, wie jeder, der Liebe und Güte sät, selbst Liebe und Güte erntet! Ich habe kein einziges „Ja” bereut! Voller Demut danke ich Gott für die Kraft und den Mut, all die unterschiedlichen Kinder und Jugendlichen, die bei uns angeklopft haben, aufzunehmen.
Ich glaube an den Weg Jesu und des hl. László und bin überzeugt, dass wir einander nicht verdrängen und vernichten müssen, sondern demütig miteinander reden, um der gemeinsamen Zukunft willen. Siebenbürgen und das Karpathenbecken sind gross genug, um jedem ihrer Bewohner ein redliches Auskommen zu ermöglichen. Ich bete: Unsere Konfessionen und politischen Parteien und Weltanschauungen sollen einander nicht bekämpfen sondern dafür arbeiten, dass die Nächstenliebe herrsche.
Herzlichst
Ihr Pater Böjte OFM
22. Juli 2013